Sächsische Zeitung und DJV kritisieren Landrat Udo Witschas zu Unrecht

Propaganda oder Journalismus?!

Vor einigen Tagen erhielt ich das Manuskript einer wissenschaftlichen Publikation, die im Herbst dieses Jahres erscheinen soll. Diese befasst sich mit dem Medienkonsum und den Mediengewohnheiten Ostdeutscher und beleuchtet auch die häufig vorgetragene Kritik an den klassischen Medien. Im Kern der Forschungsarbeit steht der Gedanke, dass Ostdeutsche feinere Antennen dafür haben, wenn es in den Medien eine Diskrepanz gibt zwischen dem eigenen realen Erleben sowie den persönlichen Alltagserfahrungen auf der einen Seite und dem, was dann in der Zeitung berichtet wird, auf der anderen. Auf 170 Seiten wird der Frage nachgegangen, wie es zu dieser Diskrepanz kommt, was die Interessen der Medien dabei sind und wie Leser aus Ost und West – man wollte bewusst beide Medienkonsumentengruppen miteinander vergleichen – diese Diskrepanz wahrnehmen und bewerten. Und es wird herausgearbeitet, wie sich diese Diskrepanz zu einer Distanz entwickelt, die schließlich zu einem veränderten Medienverhalten führt – und zu einer teilweisen Abkehr von eben jenen Medien.

Zeitungen schreiben andere Geschichten als das Leben

Explizit in der Forschungsarbeit erwähnt wird die Sächsische Zeitung, insbesondere der in Bautzen angesiedelte Redakteur David Berndt. Er ist auch mir gut bekannt, weil er regelmäßig Fragenkataloge schickt – mehr oder weniger tendenziös und suggestiv, in jedem Fall aber immer bemüht, ein bestimmtes Bild der Stadt, meiner politischen Arbeit und meines gesellschaftlichen Engagements zu zeichnen. Er ist eines der Beispiele journalistischer Tätigkeit, die die oben beschriebene Diskrepanz herbeiführt. Liest man seine Artikel, dann ist Bautzen eine „braune“, nicht lebenswerte Stadt, in der Extremisten sämtliche Organe und Strukturen unterwandern.

Berndt schreibt – ganz im Sinne von Oberbürgermeister Vogt – bestimmte Aktivistengruppen hoch und weite Teile derer, die sich mindestens ebenso sehr für mehr Demokratie und Pluralität einsetzen, nieder. Seine Berichte sind eindimensional: „buntes Bautzen“: gut, „Montagsdemo“: böse, „Drews-Engagement“: „umstritten“ (auch so ein Wort der Diffamierungsindustrie), Studie der Uni Leipzig zu angeblich „rechter Raumnahme durch extreme Unternehmer“: seriöse Wissenschaft.

Das sind eben jene Diskrepanzen, die nicht nur mir auffallen, sondern vielen in der Stadt und in der Region – und die durchaus zu einer weiteren Polarisierung beitragen. Und zur Medienkritik.

Medienschelte für den Landrat

Fast zeitgleich als ich das oben genannte Manuskript las, genauer gesagt am 22. Mai 2025, erschien in der Sächsischen Zeitung ein Artikel von David Berndt mit dem Titel „Journalistenverband kritisiert Bautzens Landrat für dessen Medienschelte“. In dem Artikel werden dem Landrat die Leviten gelesen, weil er mehrere Interviews abgelehnt hatte – insbesondere eines mit dem Spiegel und eines mit der Sächsischen Zeitung. Dies sei, so Berndt, sekundiert vom Deutschen Journalistenverband (DJV), ein Angriff auf die Pressefreiheit, eine Beeinträchtigung der journalistischen Arbeit und der freien Berichterstattung sowie einem objektiven Meinungsbildungsprozess entgegenstehend. Wo kämen wir denn hin, wenn sich jeder seine Wunschthemen in den Medien aussuchen dürfte?

Mediale Zerrbilder: Narrative versus Objektivität

Das Vergehen des Landrats war, dass er eben jene oben genannte Diskrepanz als Grund für die Ablehnung der beiden Interviewanfragen angegeben hat. Zum einen kann man Udo Witschas sicher nicht vorwerfen, dass er medien- oder kamerascheu sei – seine Medienpräsenz ist überdurchschnittlich hoch –, zum anderen hat er das Recht, sein Außenbild als Repräsentant des Landkreises zumindest so weit autonom zu steuern, dass er Schaden von sich als Privatperson und als Person des öffentlichen Lebens sowie vom Landkreis Bautzen abzuwenden versucht. Einen weiteren Bericht über das „rechte Bautzen“, die „schlimmen Umtriebe der AfD“, „ein Untergraben der ‚Brandmauer‘“ und angeblich falsche politische Weichenstellungen wollte der Landrat vermeiden. Stattdessen hat er darum gebeten, in den Interviews „ein realistischeres Bild von der Region“ zu zeichnen. Das aber war seitens der Medien anscheinend nicht gewünscht. Erfolge und die guten Seiten der Region, etwa deren Gastfreundlichkeit, das soziale Miteinander, die vielseitige Kulturlandschaft, die vielen Forschungsaktivitäten und weiteres mehr, passen eben nicht in das Zerrbild der Medien. Das Narrativ will schließlich bedient werden.

Ein realistisches Bild zeichnet Landrat Witschas regelmäßig in seiner Kolumne im Journal des Landkreises Bautzen. Diese Kolumne jedoch wird in dem Berndtschen SZ-Artikel als Verstoß gegen das Kommunalrecht gewertet – politische Wahlbeamte sind schließlich keine Journalisten. Das stimmt, aber sie sind eben auch Politiker, die für ihre Region einzustehen haben und die um ihrer Meinung willen gewählt werden wollen und sollen. Wer also behindert hier die freie Meinungsbildung wirklich? Wer ist objektiv? Und wer kennzeichnet Meinungen als Meinung, und wer hält so die Grenzen zur objektiven Berichterstattung aufrecht? Kann es sein, dass der Landrat viel seriöser arbeitet als so mancher Redakteur?

Wenn es ums Geld geht …

Notiz am Rande: Das Landkreisjournal wurde bislang von der Sächsischen Zeitung gestaltet, gedruckt und verbreitet. Wenn es ums Geld geht, scheint es kein Problem damit zu geben, dass das Landkreis-Blatt angeblich gegen Kommunalrecht verstößt und der Landrat sich mehr ausgewogene Berichterstattung wünscht.

Interessant ist auch, dass sich der Artikel in der Sächsischen Zeitung weitgehend auf Urteile des sächsischen Landesverbandes des Deutschen Journalistenverbandes beruft und dessen Geschäftsführer ausführlich zitiert. Es gibt enge Verbindungen der SZ mit dem DJV. Für ein Medium dieser Größe und Relevanz ist das nicht ungewöhnlich. Aber könnte es sein, dass eben jene Stellungnahme nur aus Gefälligkeit und politischer Opportunität heraus entstanden ist? Warum auch nicht, wenn es dem gewünschten Narrativ dient.

Veröffentliche Meinung spiegelt nicht die Realität

Doch dieses Narrativ wird eben nicht mehr von allen geglaubt. Das machen sowohl die wissenschaftliche Studie deutlich als auch die vielen Kommentare in den sozialen Medien, die auf den Bericht „Journalistenverband kritisiert Bautzens Landrat für dessen Medienschelte“ folgten. Rund 75 Prozent derjenigen, die sich in die Debatte einbringen, ergreifen Partei für den Landrat. Ein Wert an Zuspruch, den ich ebenso wahrnehme, wenn ich mal wieder in der Zeitung erwähnt werde. Die veröffentliche Meinung ist eben nicht kongruent zur Realität.

In der DDR wusste jeder, dass er hinter die Fichte geführt wird

Wer sich die jüngsten Äußerungen des Oberbürgermeisters hinsichtlich der demokratischen Kultur in Bautzen ansieht (siehe meine Beiträge vom 11. und 21. März), die vielen Berichte, in denen Brandanschläge und Gewalt gegen Unternehmen linksextremer Aktivisten verharmlost werden, das Paper der Universität Leipzig und eben jenen Bericht in der Sächsischen Zeitung zum Umgang des Landrats mit den Medien, der wird ein Muster erkennen. Eben jenes Muster wird in der eingangs erwähnten wissenschaftlichen Publikation erörtert.

Fazit: In der DDR wusste jeder, dass er hinter die Fichte geführt wird. Jeder DDR-Bürger konnte Propaganda von realen Fakten unterscheiden, weil sich das eigene Erleben diametral von den öffentlichen Erfolgsmeldungen unterschieden hat.  Die heutigen Medien versuchen, subtiler zu sein in ihrer Meinungsmache, aber sie scheitern immer öfter an den feinen Antennen der Menschen – insbesondere im Osten und vor allem hier in der Region.

Journalist oder Propagandist

Wenn klassischer Journalismus weiter eine Chance haben möchte, dann muss er objektiv berichten und aufhören, Zerrbilder zu zeichnen. Kommentare und Meinungsstücke sind erlaubt, aber sie gehören gekennzeichnet. Das ist journalistisches Handwerk. Nachrichten und Berichte dürfen eben keine Meinungsmache sein, ansonsten werden Journalisten zu politischen Akteuren und damit schnell zu Propagandisten. Wachsamkeit bleibt angebracht.