Bei Bedrohung und Meinungsfreiheit kommt es anscheinend darauf an, wer Absender und Adressat ist

Wer sich politisch engagiert oder öffentlich äußert, der muss mit Gegenwind rechnen. Dies ist an sich erst einmal etwas Gutes. Demokratie lebt von Meinungsvielfalt, Diskurs und öffentlichem Streit darüber, was der beste Weg sein könnte. Streiten ist etwas Positives, erzeugt die notwendige Reibungswärme für Kompromisse und Lösungen. Von Streitkultur ist in den letzten Monaten öfter die Rede. Doch die kommt leider allzu oft abhanden. Anstelle von Standpunkten, Argumenten und durchdachten Meinungen treten immer öfter Bedrohungen, falsche Tatsachenbehauptungen und persönliche Diffamierungen.

Was nicht passt, ist Fake News

Von „Hass und Hetze“ möchte ich an dieser Stelle lieber nicht sprechen. Denn diese beiden Begriffe werden neuerdings von Politikern, Medien und Kommentatoren nicht mehr als das definiert, was sie eigentlich sind, nämlich in der Regel Straftaten, sondern als Synonym für all das, was Andersdenkende vortragen. Was nicht ins Weltbild passt, das ist „Hass und Hetze“. Was aber ins Weltbild passt, auch, wenn es mit dem Nachdruck der persönlichen Diffamierung einhergeht, ist allenfalls „überzogen“, „undifferenziert“ oder der nicht selten als legitim empfundene Unterton der wohlmeinenden Mehrheit, sozusagen eine natürliche Empörung als Reaktion auf „Hass und Hetze“ der anderen, der Uneinsichtigen. „Hass und Hetze“ haben die einen also mehr oder weniger verdient, bei anderen ist es bloß ein Akt der Gewalt, der Staatsfeindlichkeit und des strafbaren Handelns. Die gleichen Äußerungen, Methoden und Medien sind einmal Instrumente der Demokratie und Meinungsfreiheit, des pluralen Miteinanders, ein anderes Mal aber Instrumente der Feinde der Demokratie. Wie eine Äußerung einzuordnen ist, entscheiden die Leser und die medialen Kommentatoren, vorzugsweise die der anerkannten und öffentlich alimentierten Rundfunksender oder der „seriösen“ Tageszeitungen. Objektive Tatsachen oder Kommentare werden so zum Spielball wirtschaftlicher, medialer und parteipolitischer Interessen. Der eigentliche Diskurs bleibt dabei allzu oft auf der Strecke. Was nicht passt, ist Fake News.

Facebook gut, Telegram böse?!

Facebook, Twitter und YouTube sind plötzlich „gut“. Denn diese sogenannten sozialen Netzwerke kooperieren mit staatlichen Stellen, löschen vermeintlich „Hass uns Hetze“ und unseriöse Inhalte gemäß dem Netzwerkdurchführungsgesetz. Manch einer nennt dieses Vorgehen Zensur. Telegram ist plötzlich „böse“, denn hier blühen „Hass und Hetze“, „Verschwörungstheorien“ und Fake News. Wer Telegram nutzt, ist ein potenzieller Terrorist, zumindest aber jemand, der etwas zu verbergen hat, schließlich entzieht er sich und seine Äußerungen der Kontrolle staatlicher Institutionen. Allerdings ist Telegram in Diktaturen „gut“, denn da ist es ja legitim, sich staatlicher Kontrolle zu entziehen. Oppositionelle brauchen schließlich den Schutz der Verschlüsselung und die Vernetzung abseits staatlicher Apparate. In Demokratien hingegen ist das unnötig. Hier gibt es keinerlei staatliche Repression, vor der sich Diskussionsteilnehmer und Oppositionelle zu schützen haben. Deswegen ist Telegram in Deutschland inzwischen verpönt. Was „gut“ oder „schlecht“ ist, hängt also vom Kontext ab. Und den geben die anerkannten Medien vor. Hierzulande hat schließlich niemand etwas zu verbergen zu haben.

Die Bedrohung aus dem Netz wird schnell real

Gemessen, interpretiert und entschieden wird also mit zweierlei Maß. Denn gerade Facebook, Twitter und YouTube sind mindestens genauso „unseriös“ wie Telegram. Der Unterschied ist allerdings der, dass sich auf diesen Kanälen mittlerweile überwiegend diejenigen mit Debattenbeiträgen engagieren, die der veröffentlichten Meinung näherstehen. Hier werden unverhohlen nun diejenigen beleidigt, bedroht und diffamiert, die nicht die wohlfeile Mehrheitsmeinung teilen. Ich selbst darf das als Unternehmer, aber auch und vor allem als Kommunalpolitiker, fast täglich erleben. Wenn der Ministerpräsident auf Telegram Morddrohungen erhält, ist dies ein Fall für den Staatsschutz. Die Polizei rückt aus, Festnahmen sind die Folge, die Justiz wird aktiv. Eine Welle der Empörung rollt durch das Land. Telegram müsse verboten werden. Man müsse „Hass uns Hetze“ entschieden entgegentreten. Richtig so! Gewalt und Drohungen dürfen niemals ein Mittel des politischen Diskurses sein. Allerdings sollte das generell gelten – also auch für mich und andere, die täglich den gleichen Beleidigungen, Diffamierungen und Drohungen ausgesetzt sind.

Wo bleibt der Schutz?

Auch hier gilt anscheinend zweierlei Maß. Warum mich das empört? Weil ich kürzlich zwei Erfahrungen machen musste, die die unterschiedlichen Maßstäbe belegen. Da ist zum einen die Tatsache, dass ich selbst eine Morddrohung erhielt, die auch angezeigt wurde. Dieses Verfahren wurde nun eingestellt. Zum anderen fand ein Prozess vor dem Landgericht Görlitz, Außenstelle Bautzen statt, in dem es um eine Äußerung ging, die selbst laut Gericht dazu geeignet sei, mich in meiner Persönlichkeit herabzuwürdigen und zu verletzen. In beiden Fällen aber folgte weder die entsprechend öffentliche Empörung noch eine massiv öffentliche Reaktion, um dieser Art „Hass und Hetze“ entgegenzutreten.

Zunächst zum Strafantrag wegen der Morddrohung: Ein anonymer Anrufer rief in meinem Unternehmen an. Er sagte „die Sachsensau Drews wird sterben“ oder „die Sachsenau Drews soll sterben“. Was genau der Wortlaut war, daran hat sich meine Kollegin, die den Anruf entgegennahm, nicht eindeutig erinnern können. Für mich macht dies keinen Unterschied. Es ist eine Drohung, die sich gegen mich persönlich richtet und die ich zumindest so ernst genommen habe, dass ich sie zur Anzeige brachte. Allerdings übt sich nun die Staatsanwaltschaft in Semantik und stellt das Verfahren ein. Denn es macht laut Staatsanwaltschaft einen gravierenden Unterschied, ob ich „sterben soll“ oder „sterben werde“, sie sieht darin sogar eine Widersprüchlichkeit der Zeugin.

Die Begründung: „Die Äußerung ‚…wird sterben‘ stellt einen anderen sprachlichen Inhalt dar als die Äußerung ‚…soll sterben‘. Ersteres bedeutet, dass der Beschuldigte das Ableben des Geschädigten als von seinem Willen abhängig darstellt. Letzteres ist eher als Meinungsäußerung anzusehen, dass der Geschädigte sterben soll, aber nicht von der Hand des Beschuldigten.“ (Zitat Schreiben der Staatsanwaltschaft Görlitz vom 25. November 2021).

Eine Morddrohung als Meinungsäußerung? Wo bleibt da der Aufschrei?

Wie weit das Recht auf Meinungsäußerung geht, hat auch das oben genannte Gerichtsurteil am Landgericht Görlitz gezeigt. Eine Bautzener Bürgerin (Frau K.), die sich seit mehreren Jahren mit beleidigenden und diffamierenden Äußerungen vor allem auf Twitter hervortut, bezichtigte mich der „Reichsbürgerei“ und behauptete „sie habe dafür Belege“.

Dass ich mich juristisch gegen diese aus meiner Sicht eindeutig unwahre Tatsachenbehauptung zur Wehr gesetzt habe, wurde seitens der Gegenseite, hier insbesondere durch den gegnerischen Anwalt Jürgen Kasek, als Einschüchterungsversuch gewertet. Das Narrativ, „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, gilt für manche Menschen nur für die Vertreter des eigenen politischen Spektrums. Nun stelle ich mir die Frage, welches Staats- und Rechtsverständnis jemand hat, der behauptet, dass der Wunsch nach einer juristischen Prüfung und Feststellung überhaupt eine Einschüchterung sein kann. Wie kann in einem Rechtsstaat die Vertretung der eigenen Interessen mittels objektiver staatlicher Instanzen eine Einschüchterung sein? Dies aber wurde offensiv vom gegnerischen Anwalt vertreten. Die Einlassung blieb sowohl bei Gericht als auch im Rahmen der medialen Berichterstattung unwidersprochen. Ein Gerichtssaal als Ort der Einschüchterung, das kennt man eigentlich nur aus Diktaturen, also aus Unrechtsstaaten. Wie steht der gegnerische Anwalt zu unserem Rechtssystem? Die Mandanten, die Jürgen Kasek vertritt, lassen Zweifel aufkommen, gehören diese doch nicht selten zur linksautonomen Szene und damit zu der Gruppe der Menschen, die auch mich immer wieder bedroht haben und mutmaßlich sogar auch nicht vor Brandanschlägen zurückschrecken.

Das Urteil ist in Ordnung, sagt aber etwas anderes als die Gegenseite zum Ausdruck bringt.

Doch zurück zum Urteil. Hierzu hat mein Medienbeauftragter direkt im Nachgang der Urteilsverkündung folgende Erklärung abgegeben:

„Das heutige Urteil würdigt die herausragende gesellschaftliche Stellung von Herrn Drews als Unterstützer der Region, Stadtrat, Spender und Förderer zahlreicher Initiativen, Vereine und gesellschaftlicher Gruppen. Insbesondere wegen dieser herausgehobenen Stellung stellt das Gericht eindeutig fest, dass die auf Twitter von Frau K. getätigten Äußerung ‚es gebe Belege für seine Reichsbürgerei‘ durchaus geeignet sei, ihn in seiner Persönlichkeit herabzusetzen und seine Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Das ist für uns eine wichtige Feststellung. Die Belege bleibt Frau K. indes schuldig. Dennoch gewichtet das Urteil die Meinungsfreiheit in diesem konkreten Fall und im Rahmen der konkreten Debatte, in der der Tweet abgesetzt worden ist, höher. Das ist zu akzeptieren. Die Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinung, auch wenn diese abweichend von der Mehrheit ist, und dem Recht auf den Schutz der eigenen Persönlichkeit ist ein hohes Gut und wichtig für eine breite Debattenkultur. Das Urteil und insbesondere dessen Begründung ist deswegen grundsätzlich zu begrüßen. Der Maßstab an die Meinungsfreiheit sollte allerdings für alle gelten, die sich am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen. Vorverurteilungen, insbesondere in den sozialen Medien, mit diskreditierendem Charakter sind eben kein geeignetes Mittel der politischen Partizipation. Auch hier hat das Gericht sehr klar Grenzen aufgezeigt.

Wir begrüßen, dass das Gericht ebenfalls sehr klar feststellt, dass sich das Urteil nur auf den konkreten Unterlassungsanspruch des konkreten Tweets in dem konkreten Kontext bezieht und es eben dadurch nicht gestattet ist, Herrn Drews generell der ‚Reichsbürgerei‘ zu bezichtigen.  

Dass Frau K. des Öfteren im Rahmen ihrer Aktivitäten in den sozialen Medien Grenzen der Meinungsfreiheit überschreitet, hat das Gericht ebenfalls deutlich festgestellt. Das Gericht urteilt im Sinne von Herrn Drews, wenn es feststellt, dass es Frau K. zukünftig zu unterlassen hat, zu behaupten, Herr Drews sei Mitglied der Redaktion der „denkste“. Frau K. hat hier eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt und ist damit überführt, es mit Fakten nicht immer so genau zu nehmen.

Festzustellen bleibt, dass Herr Drews in den beiden Verfahren der Beklagte war. Frau K. hat das Verfahren angestrengt und Herrn Drews verklagt. Ihr wurden dabei die Grenzen aufgezeigt.“

Ein seriöses Rechtsverständnis, das Grenzen aufzeigt

Diese Stellungnahme fand leider nur sehr gekürzt Einzug in die lokale Berichterstattung.

Aus diesen Zeilen spricht ein anderes Rechtsverständnis. Ich akzeptiere das Urteil, möchte aber, dass dann das hohe Gut der freien Meinungsäußerung für alle zu gelten hat, dass Bedrohungen und Einschüchterungen eben nicht Teil der öffentlichen Debatte werden und dass Gewalt verurteilt wird – gleich gegen wen sie angedroht oder angewendet wird.

Übrigens: Die Gegenseite hat direkt nach der Urteilsverkündung den Vorwurf wiederholt bzw. unterlassen zu berichten, dass die sogenannte Meinungsäußerung von Frau K. nur in dem ganz konkreten Kontext so gerade eben noch als solche einzuordnen ist, natürlich auf Twitter.

Es muss gelten, gleiches Recht für alle!

Bitte haltet Maß und Mitte! Es muss einer Demokratie egal sein, wer beschimpft, bedroht und diffamiert wird, denn es ist in jedem Fall ein Bürger eines freien Landes, der das Recht hat, sich zu äußern – im Rahmen der Grenzen des Rechtsstaates, auf den Kanälen seiner Wahl und mit der Möglichkeit der juristischen Überprüfung. Es muss gelten, gleiches Recht für alle!